Donnerstag, 20. Juni 2013

Technobabble: Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) III

"So wird's gemacht" - hier war ursprünglich ein interessanter Doku-Clip des Senders DMAX mit diesem Titel über die Vorgänge in einem Vinyl-Presswerk verlinkt. Leider nicht mehr online.
Dieser Clip war richtig gut - man konnte sehr schön sehen, wie steinalt die Maschinen sind, die da von einem Haufen von Menschen praktisch in Handarbeit bedient werden.

Was man aber auch sehen konnte: Für den Schneidvorgang wird nicht etwa ein analoges Tonband, sondern ein stinknormales digitales Audiofile als Master benutzt - das ebenso Spitzenwert-komprimiert ist wie bei der CD, allerdings haben sie zusätzlich noch einen EQ drin, der die Höhen ab 16 kHz mit 12 dB/Oktave abschneidet!
Hatte zum Glück ein paar Screenshots gemacht, auf denen man das sehr schön sehen kann:

Alles analog, na klar...

Bei der CD geht's rauf bis 20 kHz - nicht so bei Vinyl!
Da geht's ab 16 kHz mit 12 dB/Oktave steil abwärts!

Nicht gedacht hätte ich auch, dass die gesamte Fertigung nicht einmal annähernd unter Reinraumbedingungen geschieht! - Da läuft niemand mit Schutzkleidung oder Kopfhaube herum - die Schneidevorrichtung hat ebenfalls keine Staubschutzhaube und der Behälter mit dem Vinylgranulat hat natürlich keinen Deckel!
Wahrscheinlich deshalb braucht es jemanden wie in diesem Clip der Deutschen Welle zu sehen, der den Staub aus dem galvanisierten Master per Hand wieder rausmeißelt! - Technik, die begeistert!


Fazit: Meine optimistische Grundannahme, dass die Vinylproduzenten echte Analogfreaks sind, die einen radikalen und puristischen Ansatz haben, ist damit leider geschreddert. - Hier werden ganz normale Digitalproduktionen hergenommen und quasi "zweitverwertet" - möglicherweise erzielbare Zugewinne an Dynamik durch Verwendung eines nicht Spitzenwert-begrenzten Audios oder sogar durch ein analoges Mastertape interessieren hier offenbar niemanden. - Würde ja auch deutlich mehr Aufwand sein und Geld kosten.
Stattdessen nimmt man einfach eine CD und kopiert die auf Vinyl - und damit es "wärmer" klingt, werden noch die Höhen abgesenkt. So einfach ist das. Da kann der Vinylkäufer sich schön einbilden, ein mit großer Sorgfalt hergestelltes Analogprodukt erworben zu haben - in Wahrheit bekommt er nichts anderes als eine billige CD-Kopie auf einem minderwertigeren Tonträger.

Mein einmal scherzhaft gemeinter Vorschlag, doch einfach die CDs herzunehmen und sie durch das kostenlose Audio-Plugin von Izotope: "Vinyl" mit den nötigen Klicks und Verzerrungen zu versehen, wenn man schon auf die Lagerfeuerromantik nicht verzichten will, bekommt hier eine neue Dimension - denn genau das macht das Presswerk, nur nimmt es kein Plugin dazu, sondern ein Stück Plastik. Das Ergebnis ist in der Tat dasselbe (nur ist es natürlich nicht kostenlos)!


Die nächsten Folgen dieser Serie:
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) IV
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) V
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) VI
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) VII
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) VIII 

Die früheren Folgen:
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) I
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) II

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